So lautet der Titel eines Artikels im NEON 6/2008.
In den letzten Wochen habe ich mich mit einigen Leuten über Charlotte Roches “Feuchtgebiete” unterhalten, unter anderem darüber, dass ich es nicht lese. Die allgegenwärtigen Diskussionen darüber verfolge ich sehr aufmerksam, aber lesen werde ich es vorerst nicht.
Dafür gibt es mehrere Gründe, der erste ist, dass es mich nicht genügend interessiert. Ein anderer Grund ist meine grundsätzliche Skepsis gegenüber Dingen, die gehypt werden und in aller Munde sind – diese Skepsis gebe ich eigentlich nur dann auf, wenn mich das betreffende Hype-Objekt tatsächlich selbst interessiert. Und es gibt noch einen weiteren Grund, den ich zwar geahnt hab, aber nicht zu fassen bekam und daher auch nicht konkret benennen konnte, es hatte in jedem Fall irgendwas mit Feminismus zu tun. Das NEON (S. 36) hat dankenswerterweise meine fehlenden Worte gefunden:
“Feuchtgebiete”. Eigentlich ein Roman, von seiner Autorin Charlotte Roche in zahlreichen Interviews allerdings als feministisches Manifest in Stellung gebracht.
Das Buch wird ja immer wieder im Rahmen der aktuellen “Neuer Feminismus”-Welle angeführt und diskutiert, mein Problem ist dabei nur, dass ich das eigentlich feministische an dem Buch trotz eingehender Recherche bislang nicht finden konnte. Das könnte daran liegen, dass mein Feminismus nicht neu ist, sondern eher klassisch. Er ist jedenfalls primär politisch und wichtiger Teil meines Weltbildes, aber ganz gewiss keine Modeerscheinung. Und wenn ich allüberall lesen muss, dass “Feuchtgebiete” ja so ein hervorragend mutiger Ausdruck des coolen, spaßigen, hippen, eben: des neuen Feminismus sei, um dann aber in keiner einzigen Besprechungszeile Ansätze meiner eigenen Auffassung von Feminismus finden zu können, dann verwandelt sich meine anfangs durchaus vorhandene Neugier in einen ziemlich sturen Widerwillen, das Buch zu lesen. Der Mut, Tabus zu brechen, gehört wie ich finde beim Feminismus zwar durchaus dazu, aber nur, weil ein Buch ein Tabu nach dem anderen bricht, ist es deshalb nicht automatisch feministisch.
Das soll nicht heißen, dass ich generell alle Äußerungen von Charlotte Roche zum Thema uninteressant finde. Ganz im Gegenteil, ich stimme ihr in z.B. hinsichtlich überstilisierter Schönheitsideale durchaus zu. Ich lese daher die ganzen Kritiken und Besprechungen in der Hoffnung, dass meine Voreingenommenheit, das Buch habe mit Feminismus nichts zu tun, einen Dämpfer erhält. Bislang war das erfolglos.
Ich möchte das Buch hiermit übrigens nicht schlecht machen, dazu würde ich es gelesen haben wollen. (Aus diesem Grunde habe ich mich vor eineinhalb Jahren durch “Das Eva-Prinzip” gequält, ich wollte es berechtigt schlechtmachen können; und es hat mich zudem interessiert ob die Dinge tatsächlich so drinstehen, wie sie querbeet durch alle Medien kolportiert wurden. Was soll ich sagen: Ich fand es sogar noch schlimmer.) Meines Erachtens passt nur einfach das Etikett nicht, und ohne dieses Etikett reizt es mich nicht genügend, um es zu lesen. Das ist alles.
Ein paar Links zum Thema:
Das Achselhöhlengleichnis
Die Zotenkönigin
Interview Roche/von Schirach
Charlotte Roches “Feuchtgebiete”